Dienstag, 21. Juni 2011

Vom unfriedlichen Frieden und dem entspanntesten See der Welt

Das goldene Licht des Universums, die schraegste Lache der Welt und zwei sehr nette Menschen hinter uns lassend, machten wir uns also auf  La Paz, "den Frieden", zu erkunden. Allein die Fahrt war alles andere als friedlich, benoetigten wir doch ein Taxi, zwei Busse und 22 Stunden um Boliviens Hauptstadt muede und mit schmerzenden Beinen von den fuer Bolivianer geschaffenen Abstaenden der Bussitze zu erreichen. Wir traten aus dem Busbahnhof in das gleissende Licht der Morgensonne und uns blieb die Luft weg. Nicht nur wegen des geringen Sauerstoffgehalts, sondern weil in La Paz Strassen niemals Frieden herrscht. Uns empfing ein Hup- und Klingelkonzert, das Marktgeschrei der Cholas und ein Gewirr aus Farben, dass unsere an Hamburgs Gruen gewoehnte Augen nicht einmal den Bruchteil dessen wahrnehmen konnten, was dort auf den Strassen vor sich ging. Dann ging das Gekeuche wieder los: Umgeben von unglaublichen Bergketten, ist La Paz wie ein Kessel und das Zentrum liegt zu allem Unglueck nicht an seinem Boden...
Nach einer Nacht in einem Hostel machten wir uns mit zwei neugewonnen Freunden - Lionel aus Argentinien und der Australierin Sara auf, den "Mercado Alto" zu erkunden (hoher Markt), der nicht ohne Grund so heisst: Als wir die unzaehligen Treppenstufen hinaufgekrochen waren, schnauften und prusteten wir nicht schlecht - und waren gewiss nicht die Einzigen. Dafuer wurden wir mit einer unglaublichen Aussicht ueber La Paz und seine umliegenden Bergspitzen belohnt. Der Frieden war jedoch auch hier vergebens zu suchen: Vor uns erstreckte sich in alle Richtungen ein unfassbar grosser Markt. Nachdem wir uns zwei Stunden durch sein Gewusel gezwaengt hatten und uns mit "Licuados" (unglaublich guten Milchshakes fuer rund 20 cent) belohnten, begannen wir an dem Verstand unseres neu-gewonnenen Freundes zu zweifeln, als er aus dem Nichts mit der Idee aufkam, sich "DU MACHST MIR GROSSE VERSPRECHEN" auf den rechten Unterarm taetowieren zu lassen. Mit 5,20 € setzte er seinen Plan sofort bei einem Strassentaetowierer in die Tat um. Jedem wies ihm beliebt. Er fragte nebenbei noch, ob es nicht etwas Kuerzeres im Deutschen gaebe, dass Aehnlich klingt, bei 20 cent pro Buchstabe spare er da schon erheblich, sagte er. Wie auch immer; Er war jedenfalls stolz auf seine neue deutsche Aufschrift und versuchte den Rest des Tages vergeblich sie auszusprechen...
An diesem Abend hatten wir Glueck, denn wir kamen bei unserem 2. bolivianischen Couchsurfer unter, der zum 2. Mal kein Bolivier war - dafuer Brasilianer und das ist mindestens genauso gut. Wie wir an unserem einzigen Tag in Brasilien bereits erfahren durften, ist Portugiesisch -oder zumindest das brasilianische Portugiesisch - die lusigste sowie froehlichste Sprache, die man sich irgend vorstellen kann. Passend dazu machten unser Gastgeber Hugo und seine Freunde taenzelnde Bewegungen bei den profansten Gespraechsthemen...keine Frage, dass wir eine gute Zeit hatten.
Am darauffolgenden Tag machten wir uns bereit die "gefaehrlichste Strasse der Welt" zu bezwingen. Das bedeutete, 63 Kilometer auf Mountainbikes, eingekesselt zwischen Bergwand und Klippe ueber schlitterigen, steinigen Grund abwaerts zu sausen und moeglichst die Bremsen aus dem Spiel zu lassen. Nach vier Stunden kamen wir durchgeschwitzt, mit geroeteten Wangen und einem unnatuerlichen Betrag an Adrenalin im Blut ans Ziel - und wurden prompt von Horden an Moskitos erbarmungslos niedergestochen. Da half AUTAN kein Stueck. Hanni zaehlte 82 Stiche, Nanni 103. Uns an allen Stellen kratzend liessen wir uns auf Empfehlung unseres lieben Freundes Hugo am naechsten Tag den TOURI-STEMPEL aufdruecken und machten eine Stadtrundfahrt, schauten uns die skurrilen Landschaften des "Valle de la luna", des Mondtals, an, und fuehlten uns wie zwei waschechte "Gringitas", was uns zwar taeglich hinterhergerufen wurde,wir jedoch immer verweigert hatten, es zu glauben....wir und "Gringas"....von wegen!
Am Abend machten wir kurz entschlossen den Plan, uns- nach pausenloser Belagerung von Cumbia und Reggeaton - von QUEEN rocken zu lassen! Plakaten, die das Musical "We will rock you, Bolivia" ankuendigten, folgend, kamen wir in einem ueberschaulichen, aber huebschen Theater an: dem Haupttheater von La Paz. Nach dem Bezahlen von 90 Bolivianos Eintritt  (umgerechnet circa 9 Euro!), kuschelten wir uns in die roten Plueschsessel, um kurz darauf begeistert wieder aufzuspringen und - angesteckt von den hervorragenden Saengern und Schauspielern - heissgeliebte Songs wie "Killer Queen", "Bohemian Rhapsody" oder "Don´t stop me now", mitzugroelen.
Noch immer von der Wiederentdeckung des Rocks ein seeliges Laecheln auf den Lippen, ging es am naechsten Tag schnell weiter Richtung Copacabana, denn langsam rann uns die Zeit wie Sand durch die Finger und wir sahen das Ende unserer Reise immer schneller auf uns zukommen.
Am Rande des Titicacasees angekommen, mussten wir uns auf eine Ueberraschung gefasst machen: Dort campten, unweit der bunten Kleinstadt Copacabanas, unsere liebgewonnen Argentinier, Franzosen und Spanier, Koplizen bei Kinderspielen in Potosí und Sucre, Mat- und Fernetverehrer! Wir verantstalteten promt ein Fest der Wiedersehensfreude direkt am See, machten Feuer und Stockbrot und unsere ROSITA, die in BOLUDA (neuerworbene Gitarre Diegos und Tanjas) eine Konkurrentin fand, erklang bis spaet in die Nacht und unter klarem Sternenhimmel.
Wir verabredeten sogleich uns gemeinsam auf den Weg zur "Isla del Sol", der groessten Insel des Titicacasees zu machen und fanden uns am naechsten Tag gemeinsam auf der kleinen Barkasse wieder, die langsam ueber die meeresgleichen Weiten des Sees tuckerte, dem noerdlichen Teil der Insel entgegen.
Dort wurde bei unserer Ankunft gerade ein Schwein geschlachtet - leider nicht zu unseren Ehren:  Es war Christi-Himmelfahrt und das wird in Bolivien durch Marschmusik und tanzende, meist dickliche, aeltere Frauen, Cholas gennant, im Glitzer-walle-walle-dress gefeiert - und durch geschlachtete Schweine. Da es auf der ansonsten so wundervoll friedlichen, paradisischen Insel auch Unmengen an Eseln gibt, zuckten wir bei jedem IAAH-AHH-AHH zusammen, in der Annahme es wuerde ein Schwein geschlachtet. Wir kamen zu sechst in einer kleinen Hospedaje namens "Alfonsos" auf einem Huegel unter, von wo aus man eine atemberaubende Sicht ueber den See und das Doerfchen hatte, die Ruhe gestoert lediglich durch Eselsrufe geniessen und sich von der Sonne die Haut braeunen lassen konnte. Wir liessen uns natuerlich nicht um das Bad im eiskalten See bringen und es war eine Wonne zu spueren wie das unertraegliche Jucken der Moskitostiche endlich nachlies. Von Flor, argentinisches Mitglied unserer kleinen Truppe, liessen wir uns in die Grundtechnik des Armbaenderknuepfens einweisen, um schon bald eigene Meisterwerke kreieren zu koennen. Am Abend versuchten wir gemeinsam, die eleganten Tanzschritte der Cholas nachzuahmen, was uns eher schlecht als Recht gelang. Nach zwei Tagen der Ruhe und des Friedens, machten sich Hanni und Nanni auf den Weg in den Sueden der Insel und fanden in den Huegeln auf 4075 Metern Hoehe beinahe ihren Meister: Bei der geringsten Steigung schien der Atem in der Lunge zu stocken. Man besann sich darauf,  dass mit jugendlichen 19 Jahren der Atem in der Lunge nicht zu stocken hat und dass man ja bereits hoehere Berge erklommen hatte als diese Huegelchen und so schleppte man sich mit gezwungenem Laecheln weiter voran. Bis es hiess: 10 Soles, por favor! Ein zahnloser Alter stand vor uns und streckte die Hand aus, um uns Wegzoll abzuverlangen. Durch den Anstieg verschwitzt und nicht in bester Laune wurden Hanni und Nanni muerrisch. Wieso auch bezahlen, um sich einen Weg entlang zu schleppen! Es nuetzte alles nichts, der Alte liess nicht locker und so mussten wir wohl oder uebel mit dem Geld herausruecken. Wie wir spaeter herausfinden sollten, hatte es uns doch noch recht harmlos getroffen: Bis zu vier Mal zahlten andere blonde Besucher der Insel, um von Nord nach Sued zu gelangen. Wir schoben nach der ersten Kontrolle Armut vor und boten Bonbons als Wegzoll an, die laechelnd abgelehnt wurden. Zugegebenermassen waren sie auch bereits ein wenig aelter...
2 1/2 Stunden spaeter, gluecklich darueber das Suedende erreicht zu haben, halfen weir grossmuetig einigen australischen Altersheimsinsassen auf Reisen die Treppenstufen herunterzukommen und fuehlten uns fuer den Rest des Tages heldenhaft!
Nach einer entspannten Bootsfahrt zurueck nach Copacabana begann das grosse Bangen: Die peruanischen Praesidentschaftswahlen standen kurz bevor und es kamen Geruechte auf ueber brennende Boote und Busse, die mit Steinen beworfen wurden. Wir standen kurz davor unsere Reiseplaene fuer Peru auf Eis zu legen, doch wir hatten Glueck: Auf einmal hiess es, die Grenze sei eine Woche lang - bis zum Wahltermin - gefahrenlos ueberquerbar. Schon hatten wir unsere Bustickets gekauft und schwenkten Bolivien einen letzten Gruss mit unseren neuerstandenen Cholahueten zu und bekamen den letzten Einreisestempel unseres Trips.
Er gestaltete sich eher schwaechlich und trostlos.