Dienstag, 31. Mai 2011

Das Hoechste und Billigste von Allen: Bolivia

Es ging also auf, zur Bahnstation Villazons. Das erste Mal waehrend unserer Reise fuhren wir mit einem Zug, und es ging in's Innere des aermsten Landes Suedamerikas. Wir wussten zwar noch nicht, wie der genaue Wechselkurs war, eins war jedoch sicher: alles ist verdammt billig. Wir haben fuer eine 3-stuendige Bahnfahrt umgerechnet 1,20 Euro bezahlt, massenweise Papayas, Bananen und Orangen werden fuer ein paar Cent am Strassenrand angeboten und die typischen bunten Stoffe sind ueberall in hohen Stapeln zu sehen. Was jedoch noch mehr auffaellt, als die vielen Staende die allerlei Kleinigkeiten verkaufen, sind die Trachten der Frauen, der Cholas. Eine Bolivianerin traegt in der Regel einen knielangen Faltenrock (beliebt ist Samtstoff), beige Strumpfhosen mit einer sehr auffaelligen Naht, gehekelte Jacken (oft in der Sonne glitzernd), Hekelponchos und unter dem Hut gucken zwei lange geflochtene Zoepfe heraus. Auf den Maerkten werden unter anderem hausgemachter Kaese, leckeres Gebaeck und Fruchtshakes verkauft. Das Beste ist, dass man Milchshakes, Fruchtsaefte oder Kaffee zum Mitnehmen immer in einer Plastiktuete bekommt. So trinken wir also regelmaessig einen Beutel Fruehstueckskaffee mit Strohhaelmen und probieren allerlei unbekannte Fruechte.
Die erste Stadt, die wir von Bolivien richtig kennengelernt haben, ist Tupiza. Wir sind gegen Abend angekommen, wurden am Bahnhof von unglaublich vielen Leuten angeredet, die uns ihr Hostel andrehen wollten und sind schliesslich in einem Doppelzimmer mit Fernseher fuer 2,50 pro Nacht gelandet. Wie es uns unser Reisefuehrer empfohlen hat, waren wir am folgenden Tag ein wenig wandern . Der urspruengliche Plan war, zum "Cañon de los Inkas" zu gelangen... Orientierung war leider noch nie unsere Staerke, sodass wir stattdessen ein kleines Doerfchen kennenlernten und 25 km statt 15 durch tolle Landschaften spazierten. Das einzige, das die Idylle ein wenig zerstoert hat, waren die Massen an Muell, die die Wegesraende saeumten. Tupiza schien umgeben von einer Muellhalde. Einer der vielen Punkte, die die Armut hier erkennbar machen.
Von Tupiza aus ging es nach Uyuni. Im Zug lernten wir Lidor kennen, einen Israeli, mit dem wir am naechsten Tag zusammen mit einer Spanierin und zwei anderen Israelis unseren 3-taegigen Trip zu der Salzwueste, vielen Lagunen und tollen Wuesten antraten. Erster Stop war "El Salar de Uyuni", eine 12 Hektar grosse Salzflaeche, in der man tolle Perspektivfotos machen kann; vorausgesetzt man hat gute Fotografen. Da es daran ein wenig gemangelt hat, gibt es nur ein paar Fotos, in denen die Entfernungen tatsaechlich nicht zu erkennen sind (Fotos folgen). Dort war unser Fahrer, Jovenal, noch sehr nett zu uns...
Nach einer verdammt kalten Nacht in einer kleinen Familienunterkunft ging es zu der Valle de las Rocas,  der "Laguna Negra", der "Laguna Blanca", durch Wuesten mit Alpenhorizont und durch andere unglaubliche Landschaften. Unser lieber Fahrer war leider ziemlich schlecht auf uns zu sprechen, weil wir am Morgen zu langsam waren. So kam es, dass wir ihn bei jedem Stop sehr freundlich bitten mussten, uns zu sagen, wo wir sind. Nachdem Nanni beim Anblick von Flamingos einen Schritt zu nah an eine Lagune gegangen ist und knietief in leckersten Matsch gesunken ist, war jedoch alle Hoffnung verloren und Jovenal hat uns gehasst. Wir genossen trotzdem die tollsten Eindruecke, Farbkontraste und Felsformationen und hatten, die Wangen mit Kokablaettern vollgestopft, auch nicht allzuviele Probleme mit der Hoehe. Nach dem ersten "Schock" auf 5000m Hoehe gab es zwar Seitens Antonias Uebelkeit und Schwindel, doch es gibt neben goldenem Heillicht aus dem Universum (Erlaeuterung spaeter) ja zum Glueck Tabletten. Die zweite Nacht verbrachten wir an der Laguna Colorada, einem See, dessen Wasser rot wie Blut ist. Nach einem ziemlichen Streit mit Jovenal ueber seine Verhaltensweise bekamen wir, ueberraschenderweise, einen Wein von ihm geschenkt. Er hatte wohl Sorgen, dass etwas an die Agentur gelangt. Nach einer weiteren sehr kalten Nacht ging es morgens um 5 Uhr (puenktlich!) los zu den Geysiren. Bei 0ºC und im Sonnenaufgang waermten wir uns die Haende in dem warmen stinkenden Wasserdampf und fuehlten uns wieder Mal wie in einem Land vor unserer Zeit. Die ganzen Landschaften wirken so unwirklich, so beeindruckend! Im Anschluss ging es zu warmen Thermen, wo wir uns endlich wieder ganz aufwaermen konnten. Der letzte Stop war an der Laguna Verde, die wegen Kupfervorkommen in der Sonne gruen schimmert. Sehr zufrieden kamen wir am Abend wieder in Uyuni an und fielen sehr erschoepft in ein tolles warmes kuscheliges Bett eines Hostels mit einem sehr suessen Besitzer.
Ausgeschlafen und mit warmen Fuessen wachten wir am Morgen auf, goennten uns einen frisch gepressten Orangensaft von der Strasse fuer 30ct und Instantkaffee (man bekommt in Bolivien nur sehr schwer richtigen Kaffee) zum Fruehstueck und machten uns auf den Weg zum Bus. Die Busfahrt stellte sich als etwas unentspannt heraus, denn die Strassen Boliviens koennten mal asphaltiert werden. Durchgeschuettelt kamen wir in Potosi an. Diese Stadt ist die hoechste Stadt der Welt und bekannt fuer die Silbervorkommen in dem "Cerro Rico". Atemlos erkundeten wir hamburger Flachlaender die steilen Strassen, die schoenen Plaetze und die Minen. Diese Tour zu den Minen war sehr schockierend und vielleicht sogar das Schockierendste, was wir auf dieser Reise gesehen haben. In den Minen arbeiten Maenner in dem Wissen, dass sie ihr Leben dort unten verkuerzen. Kinder fangen mit 12 Jahren an, unter Umstaenden zu arbeiten, die man sich gar nicht vorstellen kann! Wir waren ca 2 Stunden unter der Erde, sind durch enge Schaechte gekrochen, konnten nicht aufrecht gehen und kaum atmen. Je weiter man reingeht, desto schwueler und staubiger wird es. Die Maenner, die wir dort unten getroffen haben, waren betrunken und koennten es ohne den Glauben an den "Tío", den Minengott, nicht aushalten. Dieser "Tío" braucht Opfergaben wie Lamafoeten, sonst sterben Minenarbeiter. Es gibt die Sage, dass Frauen dort unten nicht arbeiten koennen, weil die "Pachamama", die Mutter Erde, sonst eifersuechtig wird und somit die Silberadern verschwinden. Auch mit ihr hat es einiges auf sich: sie braucht Blut, damit das Gemuese besser waechst. Lamablut ist gut, aber Menschenblut ist besser, sodass sich in der Zeit ihrer Celebration junge Menschen betrinken und sich totschlagen. Bolivien ist bis jetzt das Land, in dem uns die urspruenglichen Traditionen am meisten auffallen, so makaber sie auch sein moegen.
In Potosi trafen wir eine Gruppe Freunde wieder, die wir in Iruya kennengelernt haben, und mit denen wir auf dem Platz Kinderspiele gemacht haben. Zu 15. und mit sehr viel Spass haben wir den Kinder jonglieren beigebracht, Gitarre gespielt, Bonbons verschenkt und waren sogar im Fernsehen. Einigen Kindern, die eigentlich Suessigkeiten haetten verkaufen muessen, haben wir alles abgekauft, damit sie mit uns spielen koennen. Auch Kinder, die Schuhe putzen, haben mitgespielt, und es war sehr krass, wie man den Unterschied zwischen diesen Kindern und wohlbehueteten Kindern bemerkt hat. Einige waren brutal, weil sie nie gelernt haben, zu spielen. Sehr erschoepft assen wir am Abend alle zusammen und fuhren einen Tag spaeter nach Sucre. Diese Stadt ist sehr schoen und so fruehstueckten wir auf dem weissen zentralen Platz sehr leckere exotische Fruechte. Nachmittags, als die Schule vorbei war, machten wir nochmal Spiele mit Seilspringen, mehr Musikinstrumenten und massenhaft Luftballons. Als wir am naechsten Tag mit unserem Israeli Lidor, den wir in der Strasse wiedergetroffen haben, Fluch der Karibik 4 im Kino gesehen haben, lief uns Freude strahlend ein kleines Maedchen entgegen. Sie war auch am naechsten Tag auf dem Platz, hat uns vergeblich gesucht und war umso gluecklicher, uns im Charme Jonny Depps wieder zu sehen. In Sucre trennten sich unsere Wege wieder, zwei Spanier, eine Franzoesin und ein Argentinier machten sich auf den Weg nach La Paz,  wir fuhren einen Tag spaeter mit Lidor nach Samaipata und die restlichen Argentinier blieben in Sucre. Die Busfahrt nach Samaipata war noch uebler, als die nach Potosi. Sie dauerte 15 Stunden, der Weg ist 370 km lang und die Sitze rasteten nicht ein. Wir hatten alle einen Vordersitz auf den Knien und wurden bei jedem Hubbel nach oben geschleudert. Morgens um 5 Uhr kamen wir in diesem kleinen Doefchen an und machten uns auf die Suche nach unserem ersten Couchsurfer in Bolivien. Pedro stellte sich als Belgier heraus, war Clown von Beruf und hatte die lustigste Lache, die man sich vorstellen kann. Bei einem Tee mit seinem eigenen Honig von seinen Bienen erzaehlte er uns von der Moeglichkeit Aids zu heilen. Es gibt im brasilianischen Urwald einen Mann, der die Kraefte des Universums zu einem goldenen Lichtstrahl buendeln kann und so schon einige Menschen geheilt hat. Schade nur, dass es keine Beweise gibt, dass die Aidskranken nicht alle zu ihm pilgern und dass man den goldenen Lichtstrahl nur auf Fotos sehen kann. Den Kopf erfuellt von universalen Kraeften, legten wir uns nochmal  fuer 3 Stunden auf's Ohr und verarbeiteten diese Informationen. Beim Aufwachen lernten wir Maria kennen, Pedros Vermieterin. Sie hatte ein kleines Grundstueck voll mit abgemagerten Tieren, an denen sie ihre sadistischen Zuege auslies. Als wir die Welpen fuettern wollten, hat sie sich angeschlichen und diese geschlagen. Nach vielen Bitten und Aufforderungen, die Tiere nicht weiter zu schlagen, hat sie (in unserem Beisein) aufgehoert, und uns nicht gestoert, als wir ihnen Fleischabfaelle vom Schlachter mitgebracht haben. Abgesehen von dieser Chola war der Aufenthalt in Samaipata sehr schoen und unterhaltsam. Wir machten mit Pedro Ausfluege durch Gestruepp zu Bienen, lernten Jongliertriks und balancieren, trafen Iñaki (ein sehr netter Spanier) und unsere Argentinier wieder und lernten viele Israelis, die alle irgendwie gleich hiessen, kennen. Einen Tag verbrachten wir im Parque Amboro, einen anderen in einer alten Inkastaette, und dann wollten wir auch schon weiter, nach La Paz. Das stellte sich schwerer heraus, als gedacht, doch davon spaeter. Jetzt springen wir erstmal in den Titicacasee :)

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen