Dienstag, 3. Mai 2011

Von Huehnchen, Haehnchen, Maedchen und Eichhoernchen

Das war mal eine komplett andere Seite Suedamerikas, die wir in den vergangenen zwei Wochen erlebt haben. Wir sind frueh morgens aus Puerto Iguazu aufgebrochen, haben einen Bus nach Ciudad del Este genommen und uns mal wieder darum gekuemmert, dass alle Ein- und Ausreisestempel stimmen. Dass wir durch Brasilien fahren mussten, um nach Paraguay zu kommen stoerte niemanden, Stempel werden ueberbewertet. Doch um in Paraguay legal zu sein ( was wohl einige Aergernisse ersparen koennte...), mussten wir uns erstmal durch das Verkauefergewimmel von dort, wo uns der Busfahrer abgesetzt hat, zurueck zum Grenzschalter schlagen. Nach einem Mate und einem Liedchen mit den Grenzbeamten ging es weiter, zum Busbahnhof. Oder sollte ich lieber sagen, zum "mercado de pasajes"? Die Fahrkartenverkauefer hingen mit den Koepfen und den Armen aus ihren Verkaufskabinen, haben uns hinterher gezischt, Preise und Orte geschriehen, sich fast um uns, als potenzielle Mitfahrer, geschlagen. Leicht eingeschuechtert haben wir schliesslich Tickets nach Asuncion gekauft, die ein wenig teurer waren und dessen Verkauefer uns nicht wie Hunde zu sich gepfiffen haben. Und so hiess es eine halbe Stunde vor Abfahrt: Herzlich willkommen in der Welt der Reichen. Es ist sehr erschreckend, was fuer eine bewusste Trennung es in Paraguay zwischen der kleinen reichen Oberschicht und der immensen Unterschicht gibt. Ein Wachbeamter mit Gewehr hat die Einsteigenden kontrolliert, alles war abgesichert, waehrend auf der anderen Seite des Zaunes obdachlose Kinder die Schuhe von Erwachsenen putzten. So fuhren wir also (fuer ein 4 Euro teureres Ticket) wohlbehuetet, aber etwas fehl am Platz, zur Hauptstadt Paraguays.
In Asuncion angekommen riefer wir Ever, unseren naechsten Couchsurfer, an und kurz danach wurden wir abgeholt. Frisch geduscht ging es wieder mit dem Pick-Up los und assen mal wieder landestypisches Asado, auch bekannt als Barbecue. Ever stellte sich als sehr lustiger und offener Mensch raus. Er kann Englisch, lernt Franzoesich, kann schon ein wenig Deutsch und liebt diese Sprache dafuer, dass sie so ordentlich ist :S Es ist auf jeden Fall immer sehr lustig, wenn er irgendein deutsches Wort in seine Saetze einbaut, auf einer anderen Sprache etwas sagt und super stolz ist, wenn er "Huehnchen" oder aehnliches aussprechen kann! Sehr schwer war es, sich an den Akzent in Paraguay zu gewoehnen. Es mag komisch klingen, aber sie klingen wie Amerikaner, die Spanisch reden! Das so typische gerollte "r" wird englisch ausgesprochen und die Sprachmelodie ist sehr einzigartig.
Die Innenstadt von Asuncion zu erkunden hat nicht lange gedauert. Es gibt nicht sehr viel zu sehen. Neben zwei Museen, die die Oberflaeche der Geschichte in den schoensten Farben dokumentierten, gab es ein geschlossenes Pantéon, ein geschlossenes Theater, dreckige und kaputte Strassen, einen Haekelmarkt und ein glaenzendes weisses Regierungsgebaeude. Das Schockierendste von Allem ist, dass die Korruption so grell heraussticht. Neben Plastikzelten, die als Haeuser fungieren, steht dieser gepflegte weisse Koloss, umgeben von gruenem Grass und bluehenden Blumen, bewacht von bewaffneten Soldaten. Davor steht ein fetter BMW, dem die zahlreichen Schlagloecher nichts ausmachen. Ueberall haengen Fahnen fuer das Bicentenario. Eine 20 Meter lange Fahne verbirgt eine zerbroeckelnde Haueserfassade und man will gar nicht wissen, wieviel Geld in die Werbung fuer diesen Jahrestag gesteckt wird. Was soll denn diese ganze Luege?! Das Geld wird woanders benoetigt, in den Schulen, der Drogenbekaempfung, den Krankenhaeusern und so Vielem mehr! Was haben die bettelnden Kinder von blau-weiss-roten Flaggen mit der Aufschrift "Paz y Justicia"? Doch es ist schwer, Aenderungen durchzufuehren. Das ganze System muesste ueberholt werden, die ganzen Finanzen koennen nur kontrolliert werden, wenn eine wirkliche Gewaltenteilung eingefuehrt wird. Im Moment sieht es so aus, dass die paraguayische Polizei die Bestechlichste ausserhalb Afrikas ist, dass Steuerhinterziehung das Einfachste ueberhaupt ist und dass demokratische Wahlen ausschliesslich in einigen revolutionaeren Koepfen existieren. Und dabei steckt in diesem Land so viel. Es besitzt zwei riesige Energiequellen, es ist der zweitgroesste Fleischexporter nach Argentinien und es ist auch nicht so, dass es landschaftlich fuer Turisten nichts zu bieten hat. Wir haben leider nur Fotos von der unglaublich schoenen Laguna Blanca sehen koennen, denn als wir, ausgeruestet fuer eine Nacht campen, beim Busbahnhof angekommen sind, gab es keinen Bus mehr. Ever zufolge gab es den wohl irgendwann mal, aber niemand sonst wusste davon... Auch zu dem Refugio Tati Yupi konnten wir nicht gelangen, ganz einfach, weil man ein eigenes Auto braucht, am Besten einen Jeep mit Vierradantrieb. Den hatten wir zum Glueck auf unserem zweitaegigen Ausflug mit Ever und Tito -einem Freund von Ever- nach Colonia de la Independencia, wo Evers Tante eine Schule fuehrt. Wir haben bei ihr Mbeyu gegessen, eine landestypische Maisspeise (Foto folgt), Mate cocido getrunken und ein langes Gespraech ueber den Katholizismus gefuehrt. Das ganze Land ist unglaublich religioes. So ist beispielsweise Abtreibung in ganz Suedamerika verboten, Homosexualitaet ist ungern gesehen und oefters sogar als ekelhaft empfunden, und eine Heirat bedeutet, dass man nur noch in Begleitung des Ehepartners ausgehen kann. Waehrend dieses Ausfluges waren wir bei 2 ziemlich schoenen Wasserfaellen, zu denen wir ohne Pick-Up gar nicht hingekommen waeren. So standen wir also hinten auf der Ladeflaeche, sind durch den Dschungel, durch Baeche und um Kuehe rum gefahren, konnten uns massenhaft Grapefruits von Baeumen pfluecken und haben eine sehr gastfreundliche Seite Paraguays kennengelernt. Zwar existiert auch ausserhalb der Stadt eine spuerbare Armut, doch wenigstens haben Familien einen Dach ueber dem Kopf, Nachbarn helfen sich noch und dank des Bodens gibt es genug zu essen.
Zurueck "zu Hause" lernten wir den Vorort Lambaré mit seinem Cerro kennen, hoerten viele Witze ueber den Hauptmann der Guaranies Cacique Lambaré und erkundeten, meistens mit einem der vielen Pick-Ups Familie und einem Bruder von Ever, verschiedene Vororte und Stadtteile von Asunción.
Am 25.04. war es soweit, Antonia hatte Geburtstag :) Geweckt von einem wunderschoenen ( ich weiss, Eigenlob stinkt... Aber hey, es ist die Wahrheit!), harmonischen, ernsten, unironischen sowie unsarkastischen Lied, genoss sie die ersten Minuten ihrer 19 Jahre. Die Ruhe hielt nicht lange an: mit dem Bus ging es zu einer Art Vergnuegungspark, wo wir die Moeglichkeit hatten, endlich mal wieder ordentlich Sport zu machen. Was etwas befremdlich war, war die Tatsache, dass wir die einzigen Besucher in diesem riesigen Park waren. Wir hatten also das Fitnessstudio, die Schwimmbecken, das Wellenbad, die Tennisplaetze, die unterernaehrten Pferde, die Trampoline, die Rutschen, die Sportplaetze, und das Wichtigste, die Pilatesabteilung fuer uns alleine. Abends ging es mit knurrendem Magen in die Stadt, wo wir zu guter Musik schnell was assen und uns dann dem besten Rock hingaben.
Endlich war es dann soweit, unsere Bootsreise auf dem Río Paraguay stand an. Dienstag sollte es 3 Tage lang auf der Cacique II gen Norden gehen. Ausgestattet mit viel Essen (u.a. 36 Bananen fuer umgerechnet 1,5 € o.O), Haengematten und Rosita schlugen wir uns zum Hafen durch. Leider stellte uns die unschlagbare Infrastruktur Paraguays erneut ein Bein: das Schiff ist aus irgendwelchen Gruenden nicht angekommen, es hatte wahrscheinlich eine Motorpanne. Also ging es zurueck zu Ever & co und am naechsten Tag erneut zum Hafen, um ein anderes Boot zu nehmen. Auf dem Dach des Mini-Frachtschiffchens ging es los, in Richtung eines unbekannten kleinen Dorfes. Wir hatten sehr interessante Gespraeche mit dem Besitzer, dem Kapitaen, den 2 "Matrosen" und den anderen Reisenden, fuhren gemaechlich durch die Sonne vorbei an schoenen Landschaften und schliefen in unseren Haengematten zwischen unmengen an Zwiebeln, Mais, Mehl, Maismehl, Bananen, Getreide und Orangen erstaunlich gut. Immer mal wieder hielten wir bei kleinen Doerfern ohne richtigen Hafen, wo im Licht einer Taschenlampe an die 50 Saecke ausgeladen wurden und von einer Gruppe von Maennern mit Hunden in Empfang genommen wurden. Nach 26 Stunden kamen wir in Antequera an, einem sehr ruhigen Doerfchen, in dem es viele Huehner, Hunde und Grapefruits gab. Da es mit dem anderen Boot nicht geklappt hat, wir aber trotzdem ganz gerne Concepcion sehen wollten, fuhren wir in`s nahegelegene San Pedro, um dort 9 Stunden lang auf den einzigen Bus nach Concepcion zu warten. Um 3 Uhr morgens, nach ein paar Stunden Schlaf in dem Garten eines Hostels, standen wir bei der Bushaltestelle und mussten uns anhoeren, dass ein einziges Mal in der Geschichte Suedamerikas der Bus 15 Minuten zu frueh war. Dieses Land will irgendwie nicht gesehen werden!! :( Also warteten wir weitere 3 Stunden, fuhren zurueck nach Asuncion, gingen ein letztes Mal mit Ever tanzen und verabschiedeten uns am naechsten Tag von Paraguay. Argentinien hat an der Grenze etwas uebertrieben, sodass der Grenzuebergang mehr als eine Stunde gedauert hat. Die Grenzbeamten haben ihre Arbeit sehr ernst genommen, wollten weder Lieder mit uns singen, noch uns etwas von ihrem Mate abgeben, aber wenigstens mussten wir sie nicht nach dem Einreisestempel bitten.
Argentinien hat uns also wieder. In Resistencia wollten wir eigentlich nur umsteigen, doch es gab keinen Anschlussbus mehr und wir mussten uns eine Nacht im Hotel leisten. Die wahrscheinlich einzige Hotelnacht unserer Reise war legendaer und wir genossen in vollen Zuegen die Handtuecher sowie die guten Matrazen.

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